Die drei Stufen der Verachtung

Die drei Stufen der Verachtung…

mit freundlicher Genehmigung der Halterin bzw. Verfasserin des Beitrags

Hallo zusammen,

hier folgt ein Zwischenbericht meiner Rohfütterungsversuche:

Nachdem die ersten Versuche kläglich gescheitert sind (nicht das kleinste Fitzelchen an rohem Fleisch egal in welcher Form wurde akzeptiert), gibt es nun doch noch etwas Positives zu berichten.

Also, fangen wir mal der Reihe nach an.

Josy (Rufname Berta), die Trockenfutterfanatikerin Berta sowie auch alle anderen Fellbacken waren es gewohnt, dass tagsüber immer eine kleine Portion Trofu zur freien Verfügung stand.
Berta fordert zusätzlich regelmäßig Rationen an Trofu ein und bedient
sich dabei unter anderem auch unfairer Mittel (kleine Protesthäufchen an besonders hinterlistigen Plätzen). Die erste Maßnahme war, die Dosis Trofu gefahrlos langsam zu reduzieren. Morgens gab es eine kleine Portion, Nachmittags ebenfalls und auf ihre speziellen Aufforderungen hin, gab es nur zwei / drei kleine Bröckchen. Jede Bewegung von meinem Mann oder mir wurde dazu genutzt, Speedy- Gonzales-mäßig an uns vorbeizurauschen und uns in die Küche zu locken.
Obwohl sie mehrfach die Schallmauer durchbrochen hat, kam keiner von uns ihrer Aufforderung nach. Ihr glaubt gar nicht, wie doof und verständnislos eine Katze gucken kann!
Mittlerweile gibt es nur noch morgens ein Löffelchen Trofu für alle vier und dann nix mehr. Zwar stürmt Berta wie von der Tarantel gestochen herbei, sobald sie eine Tüte rascheln hört (egal ob da Nudeln, Bonbons, etc. für uns Zweibeiner drin sind), aber ein Entzug vom Trofu ist durchaus machbar – und das sogar ohne Protesthaufen.

Bertas erste freiwillige Rohfleischmahlzeit bestand aus Lamm.
Nachmittags holte ich das aufgetaute Lammfleisch aus dem Kühlschrank und schnippelte es in kleinste Stückchen. Während ich wie immer eine der „drei Stufen der Verachtung“ (aber dazu später mehr) erntete, sehe ich meine dicke Berta, wie sie genüsslich das Lamm verspeist.
Ich kann euch gar nicht sagen wie stolz und glücklich ich über diese erste Mahlzeit war. Ein wirklich besonderer Augenblick!

Vinchen (der Staubsauger)
Vinchens erste freiwillige halbrohe Mahlzeit bestand aus Pute. Da ich immer sehr viel rohes Fleisch weggeschmissen habe, ging ich wie folgt vor. Fleisch portionieren und max. 20 Minuten anbieten. Keiner wollte das Fleisch essen, also wickelte ich es in Alufolie und schob es für 10 Minuten in meinen Minibackofen. Das Fleisch gart so ein kleines bisserl an, gerade so, dass die Oberfläche eine leichte weiße Verfärbung bekommt. Dann wird es erneut serviert und oh Wunder, wie gut das auf einmal schmeckt. Was mir besonders in Erinnerung geblieben ist, ist ihr doch recht dümmlicher Gesichtsausdruck während des ersten Bissens. Weil das Fleisch so weich ist hat das natürlich eine andere Konsistenz als Dofu oder vollkommen durchgegartes Fleisch. Sie musste sich richtig anstrengen und länger kauen, um das Stück Fleisch klein zu kriegen. Dieses „irgendwas-ist-hier-anders“ spiegelte sich wunderbar in ihrem Gesicht wieder. Nachdem die erste Mahlzeit verputzt war, kam auch hier bei mir der vollkommene
„Mutterstolz“ durch.

Cindy (die Prinzessin und Edelzicke)
Sie war die erste, die sich dazu herab gelassen hat, etwas Rohes zu fressen. Ich war recht frustriert, weil alle meine Fleischangebote so rigoros abgelehnt wurden. Da stand ich nun in meiner Küche, vor mir lagen die aufgetauten Hühnerflügel und überlegte, in welcher Form ich diese nun anbieten darf. Nach all den vorherigen Enttäuschungen hatte
ich ehrlich gesagt die Schnauze voll und so sauste mein Hackebeil nur zwei drei mal auf die Flügel. Ein kleines Arrangement kam auf den Teller, welches sofort mit Missachtung und Bähhh von drei Fellbacken bestraft wurde. Die vierte Fellbacke, Cindy, lag im Wohnzimmer auf der Couchlehne und schaute nur desinteressiert rüber. Aus einem Impuls geistig gestörter Verwirrung schmiss ich einen Hühnerflügel durch die Küche hindurch ins Wohnzimmer, der ca. 30 cm vor Cindy auf der Couchlehne landete. Michael Jordan wäre neidisch über diesen Punktwurf gewesen! Cindy schaute sich den Flügel an, bequemte sich etwas näher an der Flügel zu rutschen, schnuppert und nagt, kaut und frisst den Flügel! Diesmal war ich diejenige, die ziemlich blöd aus der Wäsche geguckt hat. Hieß das jetzt, ich muss das Essen durch die Gegend schmeißen damit es gefressen wird? Cindy wurde von mir voller Stolz ausgiebig gelobt, während ich die Couch abgewaschen habe.

Dusty (Rufname Stinker und Erfinder von „Die drei Stufen der Verachtung“)
Unser Stinker ist der liebste Kater von der Welt – ehrlich! Ein begnadeter Schmuser, ein absolutes Mamakind, herzensgut aber der mäkeligste, pingeligste und störrigste Esser im ganzen Universum. Er treibt mich bereits mit der Auswahl an Dosenfutter in den Wahnsinn, was glaubt ihr, wie es da mit der Rohfütterung aussieht?! Was ihm heute als genießbar erscheint, ist es morgen noch lange nicht. Je nach Sternenkonstellation, Windrichtung oder dem Wetter in Nimmerland richtet sich seine Geschmacksvorstellung. Jetzt find mal genau das Futter, welches heute eventuell akzeptabel ist?! Wäre unser Stinker nicht so dünn, würde mich sein Zeter und Mordio bezüglich Nahrungsaufnahme nicht so sehr belasten. Aber im Gegensatz zu unseren drei Mädels ist er ein Hungerhaken.

Na ja, ich wollte ja nicht meckern, ich wollte ja vom Erfolg
berichten. Seine Passion sind die Küken. Küken findet er toll. Erst werden die durch die Luft geschmissen, mit Leib und Leben verteidigt, dann muss unbedingt einmal die Balkontür geöffnet werden (wahrscheinlich um den Nachbarn sein tolles Küken zu zeigen), wieder rein in die Wohnung und dann geht es irgendwann ab auf die Galerie. Dort wird in einem geheimen Ritual das Küken mal mehr, mal weniger verspeist. Stinker hat auf Anhieb begriffen, welchen Zweck dieses Küken erfüllen soll. Die Mädels schnupperten nur dran rum, während er seine Zähne bereits bis zum Anschlag im Küken vergrub und sich knurrend davon machte.

Die drei Stufen der Verachtung
Ich präsentiere unseren vier Fellmonstern ein mit sehr viel Liebe zubereitetes Mahl. Egal ob gewolft, püriert, mit TroFu paniert, Stückchenweise, mit Zusätzen, ohne Zusätze oder wie auch immer.

Stufe 1
Vier Katzen begutachten das präsentierte Rohfutter. Irritierte Blicke werden untereinander gewechselt, nach dem Motto: „Was ist das denn, hast du auch so’n Mist auf deinem Teller?“. Dann schauen mich diese 8 verständnislosen Katzenaugen an und machen mich auf meinen Fehler aufmerksam: „Hey Dosenöffner, hier liegt ein Missverständnis vor. Das kann nicht unser Essen sein.“

Stufe 2
Vier Katzen begutachten das präsentierte Rohfutter. Ich ernte sofort genervte Blicke nach dem Motto: „Och nee, du Versager, schon wieder so’n ungenießbarer Scheiß. Ruft den Tierschutz, die Alte wird senil!“ Vier Katzen sitzen protesttechnisch vor den Tellern und warten demonstrativ auf das Klicken einer sich öffnenden Dose.

Stufe 3
Vier Katzen begutachten das präsentierte Rohfutter. Drei Mädels lecken angewidert ein bisserl an dieser Zumutung herum. Vielleicht ist es ja doch essbar…
Stinker verweigert auch nur die kleinste Geruchsprobe. Er schnuffelt traurig um die Teller herum, um eventuell ein Krümelchen TroFu oder ein vertrocknetes Stück Dosenfutter vom Frühstück zu finden. Findet er ein Krümelchen, frisst er es – mir einen deprimiertem Blick zuwerfend – und setzt sich in einiger Entfernung vor mich hin. Dann gibt er mir den Todesstoß! Ein Blick der aussagt: „Ja hast du mich denn gar nicht mehr lieb!“ Das ist der Zeitpunkt, wo er gewonnen hat.
Ich kann euch sagen, das ist ein Stich mitten ins Herz.

Mittlerweile hat sich folgende Fütterungsroutine eingespielt:
Morgens gibt es Dosenfutter und einen kleinen Löffel TroFu für alle.
Nachmittags gibt es abwechselnd Küken, Mäuse und Rohfutter a la Savannahcats.de-Rezepte. Zum Abend hin gibt es noch eine zweite Portion Rohfutter. Je nach Lust und Laune wird mal mehr, mal weniger gefressen. Bei meinen Mädels klappt es schon ganz gut und sogar Stinker kann sich inzwischen teilweise für Rohfutter begeistern. Wenn absolut gar nichts geht, wärme ich das Fleisch kurz in meinem Minibackofen an und versuche es noch einmal. Bringt das nichts, gibt es halt Dose.

Mich würde ja mal brennend interessieren, warum z. B. gewolftes aufgetautes Kaninchenfleisch Montags super delikat schmeckt, aber die nächste Portion des gleichen Kaninchens an einem anderen Tag so super ekelhaft sein muss, das nichts davon angerührt wird?! Vielleicht sollte ich mal esoterischen Rat einholen…

Jede meiner vier Fellbacken legt Wert auf eine individuelle Betreuung während der Roh-Mahlzeit.
Berta möchte unbedingt dabei gestreichelt werden. Nicht zu fest in Richtung Massage (worauf sie sonst voll abfährt), nein – eher wie eine leichte musikalische Untermalung. Vinchen frisst nur von IHREM Teller, der in einem exakten Winkel zur Wand stehen muss. Zusätzlich erwartet sie, dass wir eine kurze Unterhaltung führen. In dieser lobe ich sie zum Himmel, wie hübsch, toll und intelligent sie doch ist. Cindy will vorher mit ihrem Essen spielen, sprich, ich schleuder einen
Teil des Futters aus einer geringen Entfernung in ihren Napf. Kommt übrigens gut mit den in Wasser aufgelösten Zusätzen.
Stinker, ja was der will, hab ich noch nicht so raus. Auf jeden Fall muss ich neben ihm sitzen bleiben und sein hartes und unverstandenes Leben bemitleiden.

Ein paar lobende Worte zu meinem Mann:
Nicht nur auf unsere Katzen bin ich stolz, nein auch auf meinem Mann kann ich stolz sein. Er blieb hart, als es darum ging, Berta auf Trockenfutterentzug zu
setzen. Manchmal glaube ich, für ihn war es schwerer als für unsere Berta.
Er erträgt Vinchens schreiende Wanderschaften mit rohem Fleisch kreuz und quer durch die Wohnung, manchmal sogar bis in sein Bett.
Er moppert nicht, wenn er sich auf Cindy’s in die Couch verbuddelte Hühnerhalsknochen setzt.
Er räumt stillschweigend Stinkers liegengelassenes Gedärm und Zellklumpen unbekannter Herkunft in den Müll.

And last but not least:
meine Wenigkeit Für mich war es auch eine Umstellung, diese ganze Fleischverarbeiterei. Ich bin kein Vegetarier, aber ich esse sehr sehr wenig Fleisch. Übrigens sehr zum Leidwesen meines Mannes.
Bei meiner bisherigen Kocherei für meinen Mann verarbeitete ich „normales Fleisch“, sprich Schnitzel, Bratenstücke, Gulasch, etc.
Bei der Verarbeitung von Hühnern, Ente, Gans und Co. wurde es mit den Innereien schon leicht unangenehm. Ich würde nie für meinen Mann geschweige denn für mich Leber, Nieren oder ähnliches zubereiten. Allein schon die Optik einer schlabberigen Leber mit Zellfrunzeln dran, finde ich abstoßend.
Heute schnippel ich Hühnermägen, Herz, Leber etc. per Hand und ohne Handschuhe, bringe gewolfte Pampe (und seien wir mal ehrlich, je nachdem was da reinkommt, sieht das nicht unbedingt appetitlich aus) mit den Händen in Form.
Ich kann im Forum über das Zerteilen von Köpfen mitlesen, ohne das mich ein Brechreiz überkommt.
Liegen in der Wohnung schleimige Überreste einer Rohfütterungsmahlzeit egal welcher Herkunft herum und ich hab kein Küchentuch zur Hand, befördere ich die Reste so in den Müll.
Kurzum: ich bin zur fleischverarbeiteten Heldin mutiert. Da muss ich mich mal selber loben.

Die Fleischbeschaffung hat sich mittlerweile auch eingespielt. Kaufte ich früher für meinen Mann Fleisch ein, lag ich so bei 500 g. Heute gehe ich heute unter 5 Kilo nicht aus dem Geschäft raus. Einmal stand ich an der Kasse und hatte ungefähr 3 Kilo Pute, 1 Kilo Rind, 1 Ente, 1 Kilo Hühnerklein, 3 Pakete diverser Fisch, 1 Kilo Lamm und ne Rehkeule auf dem Band. Die Kassiererin meinte zu mir, „oh, das gibt ja ne tolle Party, wie?“. Ich antwortete darauf halt wahrheitsgemäß, „nein, alles für die Katz“. Na ja, seit dem grüßt sie mich nicht mehr. Ich glaube, sie fühlte sich verarscht.

Mit dem bisherigen Verlauf meiner Rohfütterung bin ich schon sehr zufrieden. Je nach Katze und Tagesform kommen wir schon mal auf gute 70% / Tag. Dafür, dass vor einigen Monaten so gar nichts gefressen wurde, ist das schon ein enormer Fortschritt.

So, das war meine (doch arg lang gewordene) Zusammenfassung. Ich bin froh, diese Group gefunden zu haben und bewundere die „alten Hasen“ in ihrem unermüdlichen Bestreben, auf jede Anfängerfrage stets geduldige Antworten zu geben.

Liebe Grüße,
Nicole mit Berta, Vinchen, Cindy & Stinker